Man hört es immer wieder: Wer in der Pflege tätig ist, stünde bereits mit einem Bein Gefängnis. Dieses geflügelte Wort ist genauso richtig wie es falsch ist. Man sollte sich aber genauer anschauen, was mit dem Satz gemeint sein könnte und was das im Pflegestrafrecht konkret bedeutet.
Die Gefahr einer Verurteilung
Bis zu einer Gerichtsverhandlung muss viel passieren: Zunächst ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft, dann kommt es zu einer Anklage vor Gericht, und erst dann kann das Gericht eine mögliche Strafe verhängen. Will man den Satz nun so verstehen, dass allein im gewöhnlichen Tagesgeschäft Pflegekräfte am laufenden Band verurteilt würden, trifft er natürlich nicht zu.
Eine Verurteilung, insbesondere mit Freiheitsstrafe ohne Bewährung, kommt in der Pflege nicht häufiger vor als in anderen Lebensbereichen, oder zumindest in anderen Risikoberufen. Verurteilungen wegen Delikten, die nicht speziell etwas mit dem Pflegeberuf zu tun haben, dürften ebenfalls nicht spürbar mehr sein. Wer bei seinen Patienten oder Bewohnern beispielsweise etwas stiehlt, wird dafür genauso belangt wie jemand, der dies bei einem anderem Arbeitsplatz, etwa einem Supermarkt, tut.
Spektakuläre Mordprozesse um so genannte „Todesengel“ hingegen stellen eine Ausnahme dar. Zu einem solchen Verfahren kommt es allerdings nicht aufgrund des Berufsrisikos einer Pflegekraft, sondern aufgrund ihrer Tat. Diese ist hierbei wiederum nicht das Resultat der Pflege, sie wird schlicht während der Pflege begangen.
Verurteilungen wegen Pflegefehlern lassen sich häufig bereits durch eine frühe Verteidigung im Ermittlungsverfahren vermeiden. Reagiert man nicht rechtzeitig, steigt die Wahrscheinlichkeit einer öffentlichen Hauptverhandlung vor Gericht. Denn die Ermittlungsbehörden kennen sich in den seltensten Fällen pflegerechtlich oder pflegefachlich aus. Dann steigt in der Tat auch das Risiko einer Verurteilung.
Ermittlungsverfahren gegen Pflegekräfte
An dem Ausdruck ist etwas dran, wenn man ihn nicht allzu wörtlich nimmt. Mit einem Bein im Gefängnis zu stehen lässt sich nämlich auch so deuten, dass ein Grundrisiko besteht, in einem Ermittlungsverfahren beschuldigt zu werden und damit näher in Richtung einer Geld- oder Freiheitsstrafe zu rücken. Genauso wie bei Ärzten oder Polizeibeamten ist es durchaus wahrscheinlich, selbst als gewissenhafte und erfahrene Pflegekraft einmal im Berufsleben einer, zumeist fahrlässigen, Straftat beschuldigt zu werden – während ein „Normalbürger“ vielleicht mit Ausnahme von Straßenverkehrsdelikten eine sehr hohe Chance hat, ohne ein Strafverfahren durchs Leben zu gehen.
Hintergrund ist, dass die Staatsanwaltschaften bei Strafanzeigen gesetzlich verpflichtet sind zu ermitteln. Beklagen Angehörige unterschiedlichste Missstände und zeigen diese bei der Staatsanwaltschaft an, muss sie handeln. Dies kann im Einzelfall zu ganz erheblichen Beeinträchtigungen des Betriebsklimas führen, so z. B. wenn bei einem Verfahren wegen Freiheitsberaubung gegen sämtliche im Dienstplan eingetragenen Personen ohne weitere Einschränkung ermittelt wird. Oder aber wenn die Pflegedienstleitung vermeintlich nicht adäquat auf Berichte von Gewalt gegen Bewohner eingeht.
Die Belastung während eines Ermittlungsverfahrens wird auch dadurch besonders hoch, dass sich solche Verfahren selbst bei schneller Reaktion durch einen Rechtsanwalt in der Regel über ein Jahr, häufig länger, hinziehen. Betroffene müssen während dieser Zeit letztlich um ihre Zukunft bangen, selbst wenn mit einer anwaltlichen Stellungnahme im Ermittlungsverfahren viel gewonnen werden kann: Im Idealfall wird eine Anklage verhindert und das Verfahren eingestellt.
Fazit
Pflegekräfte werden nicht häufiger im Gefängnis landen als Angehörige anderer Berufsgruppen. Ein Restrisiko, zu einer Freiheits- oder Geldstrafe verurteilt zu werden, besteht grundsätzlich. Es ist durchaus wahrscheinlich, einmal mit Vorwürfen wie Freiheitsberaubung, Misshandlung Schutzbefohlener, fahrlässiger Körperverletzung oder gar Tötung konfrontiert zu werden. Und das sehr häufig zu Unrecht. Dann ist es wichtig, keine Zeit zu verlieren und über einen Anwalt Kontakt zu den Ermittlungsbehörden aufzunehmen, um die Sache aus der Welt der zu räumen.
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